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Der Geburtsvorbereitungskurs

Aktualisiert: 14. Jan. 2020


Gelernt im Vorbereitungskurs: Baby baden. Foto: Mutter

Es gibt Must-Do-Dinge im Leben eines Mannes. So ein unbedingt-im-Leben-erlebtes-Ding ist der Besuch eines Geburtsvorbereitungskurses. Ich habe ihn gemacht, weil sich Anfang des 21. Jahrhunderts meine erste Tochter ankündigte. Menschen, die keine Kinder haben möchten, sollten auf jeden Fall einmal mit einem Kissen unterm Bauch vorbeischauen.

Meine Frau und ich wollten uns für die nahende Niederkunft optimal vorbereitet wissen. In solchen Vorbereitungskursen sitzen die unterschiedlichsten Paarungen. So ein Kurs ist das Paradies für Paarpsychologen. Es gibt völlig verliebte Paare, die sich stundenlang eng umschlungen festhalten. Paare, bei denen sie die treibende Kraft ist und er nur widerwillig mitgegangen ist, weil sie ihm sonst jahrelang sauer wäre. Und es gibt Paare, die jede verfügbare Literatur übers Kinderkriegen auswendig gelernt haben, um ihre nicht ganz so große Verliebtheit zumindest mit Fachwissen zu kaschieren – und um die Sitznachbarn als komplette Vollidioten dastehen zu lassen. Natürlich gibt es auch immer ein ganz normales Paar. Bei uns im Kurs waren das natürlich meine Frau und ich.


Ich will Ihnen die Vorfreude nicht nehmen, möchte Ihnen aber mit zwei kuriosen Unterrichtseinheiten Appetit auf so einen Kurs machen. Da gab es die Einheit, bei der der Mann das Becken und den Po der Frau massiert. Das klingt erst einmal unverfänglich. Wir massierten das Becken und den Po indes, indem wir hinter der Frau standen und sie sich nach vorne bückte. Weil nicht genügend Abstützmöglichkeiten wie etwa Stühle oder Tische in dem Raum waren, nahmen einige Pärchen (meine Frau und ich auch) mit der Fensterbank vorlieb. Während meine Frau also entspannt auf den Haupteingang des Krankenhauses schaute, massierte ich mit rhythmischen Bewegungen den Bereich an ihrem Körper, den mir unsere Kursleiterin zugewiesen hatte. Dem Gesichtsausdruck der werdenden Mütter war anzusehen, dass diese Übung ihnen guttat.


Wenn jemand aus einem Fenster hinausschaut, können meist auch andere hineinschauen. Den Blicken von den Besuchern, die ihre Angehörigen im Krankenhaus besuchen wollten und dabei zwangsläufig durch die Fenster des Übungsraumes schauten, war indes anzusehen, dass sie sich auf den Weg ins falsche Gebäude wähnten. Ich gestehe, für einen Außenstehenden sah die Szene mehr danach aus, dass die Frauen in diesem Raum erst noch werdende Mütter werden wollten. Man hätte auch sagen können: Ein Geburtsvorbereitungskurs der allerersten Stunden. Sie verstehen, worauf ich hinauswill.

Als mir diese Szene bewusst wurde, weil sich inzwischen eine kleine Menschentraube vor dem Fenster versammelt hatte und auch die Krankenhaus-Raucherecke unter unser Fenster verlegt wurde, bekam ich einen Lachanfall und galt fortan in unserem Kurs als der Teilnehmer, dem deutlich die sittliche Reife als angehendes Elternteil fehlt.


Ich schwor meiner Frau, mich ab sofort zusammenzureißen, was mir leider nicht lange gelang. Unsere Kursleiterin wollte uns nämlich direkt nach der Massage exakt zeigen, was im Körper der Frau bei der Geburt geschieht. Dafür hielt sie auf einmal ein Plastik-Frauenbecken-Skelett in der Hand, durch das sie ein Spielzeugbaby im Maßstab 1:1 drückte. Meine Lippen hatte ich schon bei der Ansicht des Skelett-Beckens blutig gebissen. Als das Gummikind die Skelett-Sturzgeburt hinter sich hatte, fiel unserer Kursleiterin auf, dass sie die Stoff-Nabelschnur nebst Plüsch-Mutterkuchen (das ganze konnte per Druckknopf mit dem Babybauch verbunden werden) vergessen hatte. Also warf sie spontan den Krempel durchs Becken, was mehr an einen Korbwurf beim Basketball denn an eine Geburtsszene erinnerte. Die werdende Mutter neben mir (sie treibende Kraft, er Geburtsvorbereitungskurs-Geisel) schrie plötzlich auf, als die plüschige Plazenta über den Teppich rutschte: „Huch, das sieht ja aus wie das Möpkenbrot bei uns im Supermarkt!“. Für alle Nicht-Westfalen: Möpkenbrot ist eine westfälische Blutwurst. Mahlzeit.

 

Reichen eigentlich 49 Jahre, na gut, fast 50 Lebensjahre aus, um eine Halbzeitbiografie zu schreiben? Ich denke, es hat sich eine Menge Kurioses, Schönes, Nachdenkliches und Lustiges angesammelt. Bis zu meinem 50. Geburtstag schreibe ich einige Erinnerungen hier einfach einmal nieder. Will doch keiner lesen? Ja Gott, dann lasst es. Wen es interessiert ... willkommen in meiner Welt.

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