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Einmal der Josef

Aktualisiert: 14. Jan. 2020

Als Kind war ich nicht besonders widerstandsfähig. Ich meine nicht jetzt widerstandsfähig im Sinne von Kinderkrankheiten. Ich konnte nicht "Nein" sagen.


So war ich gern gesehener Gast bei diversen Kinder-Theateraufführungen. Immer, wenn sich niemand für die ein oder andere Rolle fand, kam ich ins Spiel. „Ne Lars, das machst Du sicherlich?“ Meinem alles andere als euphorischem Unterton hätte man heraushören können, dass ich dazu überhaupt keine Lust hatte. Jedes halbherzig geflüsterte „Wenn’s sein muss“ wurde aber immer als deutliche Zustimmung gewertet.


So geschah es, dass ich 1977 als Josef im Krippenspiel unsere Grundschule gebucht wurde. Ich war vermutlich der einzig hornbebrillte Josef. Text hatte ich keinen, was hatte Josef auch schon zu melden. Meine Maria hieß Kirsten. In Kirsten war ich damals richtig doll verknallt.

Wenn dieses Krippenspiel etwas Gutes hatte, dann nur, dass ich fest überzeugt war, unser gemeinsamer Auftritt als Mann und Frau sei ein Zeichen für die Zukunft. Quasi gottgewollt.


Wie dem auch sei. Ich trug einen braunen Umhang und freute mich, dass all meine Klassenkameraden vor mir knien mussten. Also eigentlich knieten sie vor der Krippe und dem Jesusbaby und nicht vor mir, aber egal. Sorge bereitete mir nur der Kniefall des Klassenrowdys, der sich so gar nicht mit der Rolle eines gläubigen Hirten abfinden wollte und permanent nuschelte, dafür werde jemand büßen. Auf seiner Suche, wer denn nun dieser Büßer sein könnte, blickte er auf die Jesuspuppe in der Krippe (die war es nicht), auf Maria (Mädchen haut man nicht) und auf mich (zwar Brillenträger, aber, wie beschrieben, mit einem schon zu damaliger Zeit eher Aggressionen auslösendem Horngestell).


Nur durch einen beherzten feigen Sprung meinerseits direkt nach dem Schlussapplaus in die Arme meiner Mama verhinderte ich, dass Josef (also ich) direkt nach der Geburt seines Sohnes vermöbelt wurde.


Der aggressive Hirte hatte derweil einen anderen Hirten im Schwitzkasten und dachte nicht mehr an mich. Bis heute glaube ich, dass mein Sohn, also Jesus, seine schützende Hand über mich gehalten hat.


 

Reichen eigentlich 49 Jahre, na gut, fast 50 Lebensjahre aus, um eine Halbzeitbiografie zu schreiben? Ich denke, es hat sich eine Menge Kurioses, Schönes, Nachdenkliches und Lustiges angesammelt. Bis zu meinem 50. Geburtstag schreibe ich einige Erinnerungen hier einfach einmal nieder. Will doch keiner lesen? Ja Gott, dann lasst es. Wen es interessiert ... willkommen in meiner Welt.

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